Der Torstein zählt zu den markantesten und höchsten Berggestalten im Dachsteinmassiv. Mit seinem eindrucksvollen Südwest-Grat, der in den unteren und oberen Windlegergrat unterteilt ist, bietet er die längste Gratkletterei der Ostalpen.

Morgendämmerung am Rötelstein

Ein Früher Start für ein Großes Abenteuer

Wie vor jeder größeren Unternehmung schlafe ich schlecht, geplagt von dunklen Träumen. Der Parkplatz in der Kurve zur Bachlalm ist zwar der ideale Ausgangspunkt, aber zum Schlafen nicht wirklich geeignet. Mehrmals wecken mich die vorbeifahrenden Fahrzeuge, und die Nacht im Kofferraum des Caddy hätte angenehmer verlaufen können. Der Wecker läutet um 03:30 Uhr. Um 04:00 Uhr machen wir uns auf den Weg zum Einstieg, noch im Dunkeln, während die ersten Lichtstrahlen den Himmel erhellen. Die Vorfreude auf die bevorstehenden Herausforderungen ist spürbar. Pünktlich zur Dämmerung sind wir nach einer Stunde und 45 Minuten am Einstieg.

Gleich nach wenigen Metern wird die Tour äußerst exponiert, und wir holen das Seil aus dem Rucksack. An diesem Tag waren wir in zwei Seilschaften unterwegs: Ich kletterte gemeinsam mit Michael (Bergtraum.at), während Markus und Jürgen die andere Seilschaft bildeten. Durch die Aufteilung in zwei Seilschaften wurde die Wegfindung erheblich erleichtert. Jeder brachte seine Erfahrungen ein, und somit konnten wir den gesamten Grat ohne Verhauer hinter uns bringen.

Nach den Einstiegshürden geht es über teils gutmütige Bänder nach oben

Zwischen dem Bruch gibt es immer wieder schöne Kletterstellen

Herausforderungen auf dem Weg zum Ziel

Die Wegfindung auf dieser Tour ist zwar alles andere als einfach, geht uns jedoch gut von der Hand. Der Grat bietet unzählige Varianten und mögliche Verhauer, die schnell in noch brüchigeres Gelände führen können. Wir stützen uns größtenteils auf die Beschreibungen von Lackermayr auf bergsteigen.com. Die Topo vom Schall-Führer ist nicht immer korrekt, und vor allem die Längenangaben stimmen nicht wirklich zusammen. Die frisch gesetzten Bohrhaken sind eine willkommene Erleichterung. Sie sind sinnvoll platziert und fühlen sich wie eine Bestätigung bei der Wegfindung an. Der Aufstieg erfolgt großteils am laufenden Seil, und das stark gegliederte Gelände stellt eine ständige Herausforderung für unsere Orientierung dar.

Nach etwa vier Stunden erreichen wir das Felsenfenster, wo sich auch ein Notabseiler zur Nordseite befindet. Hier könnte man in zwei 25-Meter-Abseilern den Gletscherrest erreichen. Für uns geht es weiter auf dem oberen Windlegergrat, der uns immer wieder mit interessanten Kletterstellen überrascht. In den schwierigeren Passagen sind zahlreiche Schlaghaken platziert, die zumindest augenscheinlich einen guten Eindruck machen.

Durch das Felsenfenster

Zum oberen Windlegergrat

Im 25m Riss

Gipfelglück und der langanhaltende Abstieg

Nach rund acht Stunden Kletterzeit erreichen wir schließlich den Gipfel des Torsteins. Der Ausblick auf die umliegenden Berge ist einfach überwältigend! Doch am wohl exponiertesten Gipfel der Steiermark ist die Tour noch nicht vorbei: Der Abstieg führt zunächst anspruchsvoll abkletternd in Richtung Südosten zu einem Abseiler, mit dem wir in zwei 25-Meter-Seillängen die Torsteinwächte erreichen.

Nur ein karger Rest der einst imposanten Struktur ist übrig, und wir folgen dem felsigen Kamm in die untere Windluck’n. Weiter geht es dem Gletscherschliff unterhalb der Hohen Schneebergwand folgend in Richtung Linzersteig, wo zwei mühsame Gegenanstiege bei brütender Hitze zur Windlegerscharte führen. Der Abstieg ist langwierig und fordert noch einmal Psyche und Geist.

Großer Gosaugletscher

Ein Blick zurück

Ein Alpines Highlight

Nach insgesamt 14 Stunden und 50 Minuten erreichen wir erschöpft, aber glücklich unseren Kraftwagen beim Wanderparkplatz zur Bachlalm. Diese Tour am Torstein war zwar keine technische Herausforderung, sondern ein unvergessliches Erlebnis inmitten des brachialen, kargen Dachsteingebirges.

Für alle, die sich nach einer wirklich großen Herausforderung sehnen, ist der Torstein ein echter Klassiker der Alpen. Diese Tour bietet nicht nur einen landschaftlichen Traumgrat durch das Dachsteingebirge, sondern auch die komplette Palette an alpiner Erfahrung ist gefordert. Bewegen im Bruch, kreativer Standplatzbau und solide Seilschaftsabläufe sind die Essenz einer erfolgreichen Besteigung. Der Windlegergrat ist ein monumentales Abenteuer, das eindrucksvoll die majestätische Natur der heimischen Bergwelt verkörpert. Für mich war es ein unvergessliches Highlight auf diesem brachialen Grat unterwegs zu sein zu dürfen. Die perfekten Seilpartner waren dann noch die finale Essenz dieses alpinen Abenteuers.

Eine herbstliche Rückkehr

Mittlerweile ist Dezember. Mühsam stapfe ich mit Fotoausrüstung und Biwaksachen auf den Gipfel des Rettensteins, um pünktlich vor Sonnenuntergang am Gipfel zu sein und den richtigen Bildausschnitt zu wählen. Als die Abendsonne die Südwestseite des Berges noch ein letztes Mal erhellt, drücke ich den Auslöser. Hier endet das Abenteuer Windlegergrat für mich. Ob ich die Tour ein zweites Mal machen werde, weiß ich nicht so wirklich. Doch wer weiß, vielleicht suche ich mich ja noch einmal mit einem guten Freund durch dieses Felslabyrinth im Dachsteinmassiv. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt.

Hard Facts

  • Gebirge: Dachsteingebirge
  • Route: Gesamter Windlegergrat
  • Schwierigkeit: V+
  • Wandhöhe: 1050m (ca. 2000m Kletterstrecke)
  • Erstbegeher:
    • Unterer SW-Grat: R. Czegha und L. Obersteiner 1920
    • Oberer SW-Grat: K. Blodig, R. v. Lendenfeld, J. Steiner und J. Auhäusler 1879

Tipps und Infos

  • Material: 30m Einfachseil, 4 mittlere Friends, viele lange Schlingen
  • Führerliteratur:
  • Verlängerbare Expresssets verwenden
  • Parkplatz Mautstraße Bachalm (diese war leider 2024 nicht befahrbar)

Fazit

  • Ein brachiales Gratmonster (Zitat Stocker)
  • Ultraalpinklassiker der Ostalpen
  • Vom Fels nicht immer ganz zuverlässig, aber es gibt weitaus schlimmeres